„Einen ganzen Schulvormittag lang nur lesen?“ – Noch bevor es losging, waren viele Fünftklässler*innen des Mariengymnasiums etwas skeptisch. Doch bereits nach wenigen Minuten war klar: Dieses Projekt hatte mit stillem Lesen im Klassenzimmer wenig zu tun.
An vier Tagen im November nahm sich jede der vier fünften Klassen sechs Unterrichtsstunden Zeit für den großen (Vor)Lese-Workshop. Wie schon im vergangenen Jahr leitete ihn Mareike Niehaus, die sich mit Kinder- und Jugendliteratur auskennt wie kaum jemand sonst.
Schon das Aufwärmen hatte viel mit Theater zu tun: Stimme lockern, Haltung trainieren, Raum einnehmen. „Stellt euch vor, ihr habt große Drachenflügel auf dem Rücken“, erklärte Niehaus. „Damit breitet ihr euch vor eurem Publikum aus – und schon seid ihr viel größer, mutiger und lauter.“
Gemeinsam lasen die Kinder Märchen wie „Die Büffelkuh und das Fischlein“ oder „Der süße Brei“, entwarfen dazu eigene Storyboards und fassten die Geschichten anschließend mündlich zusammen – mit Betonung, Mimik und Gestik, als stünden sie auf einer kleinen Bühne.
Zittern statt Zögern: Auch Paula aus der 5b musste sich überwinden, als sie vor der Klasse stand. „Ich habe mich erst gar nicht getraut“, erzählte sie hinterher. „Aber dann hab ich an die Drachenflügel gedacht. Da war ich plötzlich größer im Kopf – und dann hab ich einfach angefangen.“ Am Ende erntete sie Applaus von ihrer Klasse.
Auch Fachlehrerin Leanne Wenzel, die den Workshop anstelle ihres Erdkundeunterrichts begleitete, war beeindruckt: „Wie kreativ die Storyboards geworden sind und wie selbstbewusst viele Kinder später vorgetragen haben, hat mich wirklich freudig überrascht.“
Dass der Workshop weit mehr ist als eine nette Abwechslung vom Stundenplan, passt gut zum schulischen Schwerpunkt: Das Mariengymnasium stärkt Lesekompetenz und Präsentationsfähigkeit bewusst schon ab Klasse 5. So gibt es beispielsweise ein Lesescreening für alle neuen Fünftklässler. Auf deren Grundlage werden Lese-Tandems gebildet, die wöchentlich gemeinsam üben. Auch das Antolin-Programm wird im Deutschunterricht, aber auch in Vertretungszeiten als zusätzliche Lesestunden eingebunden.
„Wer sicher lesen kann, kann sicher sprechen – und wer sicher spricht, traut sich im Unterricht mehr zu“, betonte Mareike Niehaus.
Zum Abschluss bekam jede Schülerin und jeder Schüler – wie in jedem Jahr – einen kleinen Halbedelstein als Erinnerung daran, dass jedes Wort Gewicht hat. Auch 2026 wird der Workshop wieder Teil des Fünftklässler-Jahres sein. Für die meisten jedenfalls steht schon fest: Sechs Stunden Lesen können ganz schön laut, kreativ und mutig sein.
Erstellt am 10.11.2025 - Rubrik > Allgemeines