von Thomas Rünker (Redakteur in der Pressestelle des Bistums Essen)
Schulabschluss am Mariengymnasium
Mit Gottesdienst und Zeugnisübergabe am Freitag und dem Abiball am Sonntag endet an diesem Wochenende für 106 junge Menschen am Bischöflichen Gymnasium in Essen-Werden die Schulzeit. Sechs von ihnen erzählen über das Lernen und Leben in der Abi-Zeit, das Besondere einer katholischen Schule und die große Freiheit, die nun winkt.
Im „Forum“ des Mariengymnasiums herrscht das typische Pausentreiben: Die einen essen, die anderen quatschen, ein paar gehen schon mal in die nächste Klasse und zwischendurch bemüht sich eine Reinigungskraft um Sauberkeit. Acht Jahre lang waren der überdachte Innenhof der Bischöflichen Schule in Essen-Werden samt der umliegenden Räume für Titus, Mathilda, Larena, Henri, Sahar und Florentine tagsüber ihr Zuhause. Heute sitzen sie immer noch routiniert am Rande des Trubels, und doch gehören sie schon fast nicht mehr dazu. Wenn sie am Freitag, 4. Juli, erst in der benachbarten St.-Ludgerus-Basilika mit Lehrkräften, Eltern, Freundinnen, Freunden und Bischof Franz-Josef Overbeck ihren Entlassgottesdienst feiern, dann von Schulleiterin Christiane Schmidt ihre Abiturzeugnisse erhalten und am Sonntagabend den Abi-Ball hinter sich haben, sind sie raus. Dann war’s das mit der Schule – und es beginnt das, was manche Erwachsene „das wahre Leben“ nennen.
Lebensmittelpunkt „Co-Working-Space“
Dabei war das Leben der sechs in den vergangenen Monaten schon ziemlich turbelent. Einer ihrer Lebensmittelpunkte war zuletzt der nur der Abi-Stufe vorbehaltene „Co-Working-Space“ der Schule. Dort, erzählen die sechs 17- und 18-Jährigen im modernen Ambiente auf bequemen Sofas zwischen bunten Wänden, hätten sie allerdings „eher weniger gearbeitet, dafür viel geredet, manchmal gegessen und hin und wieder auch geschlafen“. Immerhin sei dieser Jahrgang der erste, bei den sie den Raum nicht wegen Fehlverhaltens übergangsweise schließen musste, sagt Schulleiterin Schmidt mit einem Schmunzeln. Vermutlich weiß die Pädagogin, was Mathilda so formuliert: „Dieser Raum hat unsere Stufe geprägt.“ „Wenn man in der Schule war, war klar, dass man hier immer jemand trifft“, ergänzt Larena. Ja, Lernen ist wichtig, um das Abitur zu schaffen – aber gemeinsam über diese verrückte Zeit zu reden vermutlich auch. Und während das im „Co-Working-Space“ ganz hervorragend geht, habe man das Lernen lieber in die benachbarte Bibliothek der Folkwang Uni oder an den heimischen Schreibtisch verlegt, erzählen die sechs.
Als Stufensprecherin Organisieren gelernt
„Die Abi-Zeit war nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte“, sagt Larena (Abi-Schnitt 2,3, Leistungskurse Mathe/Pädagogik). Vielleicht habe das daran gelegen, dass sie den Vertrag für ein Duales Wirtschafts-Studium im internationalen Bereich von Aldi Süd schon vorher in der Tasche hatte. Auf die Job-Idee habe sie ihr Ehrenamt in der Schule gebracht, erzählt die 18-Jährige: „Ich bin eine der Stufensprecherinnen.“ Da gehört viel Organisieren dazu – unter anderem rund um die verschiedenen Abitur-Feierlichkeiten. Das macht ihr Spaß, also machte sie sich auf die Suche nach einem Job im Management – und Aldi-Süd kann sich nun nicht nur auf Zuwachs im internationalen Einkauf freuen, sondern womöglich auch bei der Event-Gestaltung. Nach dem Abi-Ball am Sonntag „mache ich jedenfalls erstmal drei Kreuze“, sagt Larena mit einem Lachen.
Für Mathilda (LK Mathe/Biologie) ist schon seit Kindertagen klar, dass sie einmal Ärztin werden möchte. „Dadurch wusste ich schon früh, was ich zu tun haben“, meint sie mit Blick auf gute Schulnoten. Das Ergebnis kann sich mit einem Abi-Schnitt von 1,0 mehr als sehen lassen. Dennoch könne sie nicht sicher sein, damit an jeder Wunsch-Uni angenommen zu werden, sagt sie. In den nächsten Wochen begleitet sie erst einmal eine kirchliche Jugendgruppe nach Norwegen – danach sieht sie weiter. Und wenn sie sich von Lern- oder Uni-Stress ablenken möchte, holt sie das Cello raus oder spielt Fußball.
Besonderes Verhältnis von Jungen und Mädchen
Wenn die sechs jungen Leute auf ihre Schulzeit zurückblicken, kommen sie neben Corona-Lockdowns schnell auf das besondere Verhältnis von Jungen und Mädchen am Mariengymnasium zu sprechen. In der EF – also der 10. Klasse – „sind wir ein bisschen ins kalte Wasser geworfen worden“, sagt Florentine. Bis dahin wurden Mädchen und Jungs in getrennten Klassen unterrichtet. Mit dem Kurssystem der Oberstufe wurden die Klassen – und damit auch die Geschlechter – bunt durcheinandergemischt. Für alle sechs war das auch im Rückblick ein gutes System. „Für uns war das toll“, sagt Titus (Abi 2,5, LK Mathe / Pädagogik), „auch wenn das für die Lehrerinnen und Lehrer sicher anstrengend war“, meint er mit Blick auf den Lärmpegel in der Jungenklasse. Sahar (Abi 1,5, LK Geschichte/Englisch) hat die Zeit in der Mädchenklasse sehr genossen: „Gerade in der Pubertät, wenn man sich selbst finden muss und sich alles verändert ist es gut, Leute um sich zu haben, die das gleiche empfinden.“ Als älter gewordene Jugendliche ist die Trennung dann dem Miteinander gewichen – und neben dem Schulalltag erzählen die sechs vor allem von Stufenfahrten nach Weimar („da haben wir als Jungs und Mädchen das erste Mal etwas gemeinsam gemacht“) und ins französische Saint-Malo zu Beginn ihrer Abi-Stufe. „Das hat unsere Stufe richtig zusammengebracht“, sagt Titus.
Florentine betont, dass die parallele Monoedukation, wie das Schulkonzept am Mariengymnasium heißt, „auch eine Typ-Frage ist“. Sie habe davon profitiert: „Ich war früher eher eine ruhige Person, durch die Mädchenklasse konnte ich mich gut entfalten.“ So gut entfalten, dass sie nicht nur mit den Leistungskursen Mathe und Französisch einen Abi-Schnitt von 1,4 hingelegt hat, sondern nebenbei auch noch Feldhockey als Leistungssport betreibt. Hierfür wird sie sich künftig einen französischen Club suchen müssen, denn Florentine möchte zunächst als Au Pair im Nachbarland arbeiten und dann vielleicht ein duales Wirtschafts-Studium bei einem Sportartikelhersteller starten. Vor allem aber möchte Florentine „raus, ich möchte nicht hier bleiben“.
„Ich hab‘ mich sehr wohlgefühlt“
Da geht es ihr wie Henri, einem weiteren „1,0er“ der aktuellen Mariengymnasium-Abiturientia. Mit seinen Mathe- und Physik-Leistungskursen hat er schon in der Schule die Grundlage für das Maschinenbau-Studium gelegt, das er im Herbst beginnen möchte. Wo? „Vielleicht in München – aber Singapur wäre auch toll.“ Zuvor gibt es aber am Freitag nicht nur das Spitzen-Abi zu feiern, sondern auch seinen 18. Geburtstag. Auch für Henri war trotz der Abi-Bestnote zuletzt Lernen längst nicht alles. „Klavier und Leichtathletik“, nennt er als Antwort auf die Frage nach seinen Hobbys, während er seine Schulzeit mit einem knappen „Ich hab‘ mich sehr wohlgefühlt“, bilanziert.
Das unterstreichen die sechs Teenager auch auf die Frage nach dem besonderen Charakter der Bistums-Schule, nach Gottesdienstbesuchen oder Religion als Pflichtfach bis zum Abi: „In der 6. habe ich mal den Gottesdienst geschwänzt“, räumt Titus ein. Aber später habe er festgestellt, „dass das richtig gut ist und man da immer auch was mitnimmt“. „Man merkt oft im Schulalltag, dass das hier eine katholische Schule ist“, sagt Mathilde – und meint dies positiv. „Werte, die eigentlich jede und jeder teilen sollte“, zum Beispiel Nächstenliebe, Solidarität, die „goldene Regel“ oder der individuelle Blick auf jedes Kind, „werden hier stärker betont und häufig im Unterricht thematisiert“. Außerdem werde man am Mariengymnasium „nicht schief angeguckt, wenn man sagt ,Ich gehe heute Nachmittag in die Kirche‘ – das machen hier ja viele“. Larena hat durch die Angebote der Schulseelsorge – zum Beispiel regelmäßige Pilgertouren – sogar „näher zu meinem Glauben gefunden“, sagt sie.
Ohne Deutsch-Kenntnisse in der Grundschule – jetzt die Abi-Note 1,4
Auch Sahar (Abi 1,5, LK Geschichte und Englisch), die das Kopftuch einer praktizierenden Muslima trägt, hatte keinerlei Schwierigkeiten mit dem christlichen Profil der Schule – ganz im Gegenteil: „Ich kann mit Menschen, die selbst religiös sind, viel besser über Glauben sprechen.“ Sie erinnert sich an tolle Religions-Stunden, „in denen wir auch viele Parallelen zwischen den Religionen entdeckt haben“. Sahar kam erst in der 4. Grundschulklasse mit ihrer Familie aus Afghanistan nach Deutschland. Anfangs ohne ein Wort Deutsch, bekam sie für den Schulwechsel sogar eine Gymnasialempfehlung. „Mir liegen Sprachen“, sagt sie relativ trocken, „und wenn man jung ist, macht das Lernen mehr Spaß“. Nun hofft sie, mit Hilfe des Mediziner-Tests einen Medizin-Studienplatz zu erhalten und Ärztin werden zu können.
So starten die sechs zusammen mit den 100 anderen Stufen-Mitgliedern an diesem Wochenende in eine Zukunft ohne ihr Mariengymnasium und den kuscheligen „Co-Working-Space“, aber mit ganz viel Freiheit. Doch erst einmal wird am Sonntag gefeiert. (tr)
INFO: Jungen und Mädchen werden heute früher gemeinsam unterrichtet
Mit der Rückkehr zur neunjährigen Schulzeit bis zum Abitur hat das Mariengymnasium das System der parallelen Monoedukation angepasst: Nun werden Jungen und Mädchen zunächst von der 5. bis zur 8. Jahrgangsstufe in getrennten Klassen unterrichtet. In der 9. Jahrgangsstufe werden neue, gemischte Klassen gebildet, bevor in der Oberstufe das Klassen- dem Kurssystem weicht.
Hier der Link zum Artikel auf der Seite des Bistums Essen.
Erstellt am 07.07.2025 - Rubrik > Allgemeines